19.03.2024 | Ein Beitrag von Dr. Peter Hug, VDMA
In der hitzigen und kontrovers geführten Debatte um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) drehte sich viel um private Heizungskeller, Wärmepumpen und Energieträger. Was hingegen kaum Beachtung fand, sind die Anforderungen an gewerbliche Immobilien und deren Bedeutung für die Energiewende. Dabei fällt der Digitalisierung – und damit der Gebäudeautomation – gerade bei Nichtwohngebäuden eine echte Schlüsselrolle bei der Dekarbonisierung zu.
(R.Classen/Shutterstock.com)
Die rund 2,7 Millionen Nichtwohngebäude in Deutschland sind für mehr als 1/3 des Gebäudeenergieverbrauchs hierzulande verantwortlich. Eine entscheidende Größenordung, wenn es darum geht, den Dekarbonisierungspfad zu beschreiten und wie geplant bis 2050 die CO2-Neutralität zu erreichen. Die Digitalisierung der Gebäude durch eine intelligente Gebäudeautomation ist dabei ein wirkmächtiger Hebel – für Neubauten, vor allem aber auch für Bestandsgebäude. Das hat auch die Gesetzgebung erkannt und die Gebäudeautomation im neuen Gebäudenergiegesetz mit entsprechenden Vorgaben berücksichtigt. Die darin enthaltenen Anforderungen sind nicht neu, die Formulierungen der Textstellen orientieren sich sehr eng an den Formulierungen aus der europäischen Richtlinie EPBD (Energy Performance of Building Directive) aus dem Jahr 2018.
Technologieoffen: Die Vorgaben des GEG zur Gebäudeautomation
Nichtwohngebäude mit einer Nennleistung der Heizungsanlage oder der kombinierten Raumheizungs- und Lüftungsanlage von mehr als 290 Kilowatt müssen bis zum 1. Januar 2025 mit Systemen für die Gebäudeautomatisierung und -steuerung ausgerüstet werden. Dies gilt ebenso für Nichtwohngebäude mit einer Nennleistung für eine Klimaanlage oder eine kombinierte Klima- und Lüftungsanlage von mehr als 290 Kilowatt. Klugerweise werden dabei keine spezifischen Technologien gefordert, sondern Funktionalitäten. So wird die Innovationskraft der Branche nicht eingeschränkt und neue Konzepte und Lösungen finden schneller den Weg in den Markt. Aktuell können die geforderten Funktionalitäten beispielsweise teilweise softwaretechnisch oder auch mit unterschiedlichen Komponenten erreicht werden.
Die einzelnen Anforderungen des GEG im Überblick:
Zusätzlich ist eine für das Gebäudeenergiemanagement zuständige Person oder ein Unternehmen zu benennen oder zu beauftragen, um in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess die Potenziale für einen energetisch optimierten Gebäudebetrieb zu analysieren und zu heben.
Straff: Der Zeitplan für die Umsetzung im Gebäudebestand
Ein wichtiger Aspekt: Diese Vorgaben gelten grundsätzlich für alle entsprechenden Gebäude, also auch für den Gebäudebestand. Wenn das GEG wie geplant 2024 in Kraft tritt, müssen die Vorgaben innerhalb von nur einem Jahr umgesetzt werden – ein offensichtlich nicht zu bewältigender Kraftakt. Zu erklären ist diese fast schon absurd erscheinende Zeitvorgabe wohl damit, dass im Jahr 2018, als die Texte von der Europäischen Union verabschiedet und veröffentlicht wurden, noch ein durchaus realistischer Zeitraum von fünf Jahren für die Nachrüstung geblieben wäre.
Für Neubauten von Nichtwohngebäuden scheint das Gebäudeenergiegesetz keine Größenbedingung der Anlagentechnik vorzusehen, die Anforderungen gelten also für alle neuen Objekte. Das GEG sieht hier vor, dass diese Gebäude mit einer Gebäudeautomation der Klasse B entsprechend der DIN 18599 Teil 11 ausgestattet werden. Diese Klasse B verlangt eine Erhebung von Daten und eine Kommunikationsstruktur, die notwendig ist, um die oben genannten Funktionen und Anforderungen zu ermöglichen. Geht man davon aus, dass die Bestimmungen der EBPD in der in Kürze anstehenden nächsten Fassung der Richtlinie auch für kleinere Gebäude gelten werden, ist dieser Abschnitt des GEG absolut sinnvoll.
Belegt: Die Gebäudeautomation spart signifikant CO2-Emissionen
Auch wenn der Zeitplan etwas überambitioniert wirkt, bleibt positiv festzuhalten, dass das Gebäudeenergiegesetz die enorme Bedeutung der Gebäudeautomation für die Dekarbonisierung des Immobiliensektors unzweifelhaft anerkennt. Bestätigt wird dies auch von einer Studie von Waide Strategic Efficiency, die für die EU insgesamt zu dem Ergebnis kommt, dass eine Umsetzung der Anforderungen an die Gebäudeautomation der EPBD 2018 zu 14 % Energiekosten-Einsparungen im Nichtwohngebäudesektor führen würde. Dies entspricht einer europaweiten jährlichen Einsparung von 64 Megatonnen CO2. Und diese Einsparungen lassen sich mit Gebäudeautomation besonders effizient erzielen: Es handelt sich dabei um wirtschaftliche Investitionen, die oft weniger als 30 Euro pro Quadratmeter Geschoßfläche ausmachen und sich nach spätestens nach drei bis fünf Jahren amortisieren.
Das ist der aktuelle Stand. Allerdings sind in der Neufassung der Europäischen Gebäuderichtlinie 2024, die im März 2024 vom Europäischen Parlament verabschieded wurde, erweiterte Anforderungen an Gebäude zur Digitalisierung und Nutzung von Gebäudeautomationsfunktionen vorgesehen sein. So wird die Grenze der relevanten Gebäude von 290 KW ab 2030 auf 70 KW reduziert. Damit ist die Gebäudeautomation der wichtigste Treiber für das Thema Energieeffizienz. Es bleiben spannende und bewegte Zeiten – für die Immobilienbranche und die Gebäudeautomation.
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